Dienstag, 27. Februar 2007

Kapitel 4



Bis schließlich jemand kam, der kaum noch laufen konnte. Es schien ein Mädchen zu sein. Matt war sie und kraftlos. Ihre Kleider waren zerschlissen und zerfetzt. Sie bedeckten kaum den zarten und kraftlosen Körper der Jungfrau. Die Haare wirr und zerzaust, mit blutenden Füßen, schleppte sich das Mädchen hin zum Holzstock. Es warf sich ihm zu Füßen und umklammerte mit beiden Händen die verwitterten Wurzeln des hoch in die Luft aufragenden Holzbildes.
Eine Erschütterung durchlief den schmächtigen Leib des Mädchens und ein Strom von Tränen stürzte aus den Augen, die tief waren wie das Meer und dunkel wie die Nacht. Sie hatten Schreckliches gesehen: Kriegerische Horden waren eingebrochen in ihr Land, hatten viele Männer erschlagen, die Frauen und Kinder in die Sklaverei getrieben. Auf Schiffen verladen, wurden sie an die dunklen Gestade des Nordmeeres gebracht, dorthin, wo noch immer das Böse regierte. Die dunklen Krieger hatten die jungfräuliche Königin gefangen und entführt ...
Eine ihrer Dienerinnen konnte entkommen. Ahnungen hatten sie lange durch den Wald geführt, über wüste Flächen, tiefe Klippen und dichtes Gestrüpp hin zu den hellen Gestaden des Nordmeeres: nun lag sie da und wusste nicht weiter. Mit den Lippen berührte sie das tränennasse Holz, alle Götter um Hilfe anrufend. Aus ihrer Seele strömte eine Reinheit, ein Licht, das das äußere Elend ihrer Gestalt überwand und den hölzernen Recken in ein Zauberfeuer hüllte. Sie wollte sich opfern - aber er würde nicht verbrennen !
War es der Wind, der plötzlich aufsprang, war es das Meer, das aufrauschte am hellen Ufer oder die Erde, die erbebte ? Blitze zuckten am Himmel und in einem Feuerstrahl stand der Mann da; befreit aus dem harten Holz, lebendig und wiedergeboren als ein Ritter der Güte, zu schützen die Hilfsbedürftigen und zu verfolgen das Böse ! Was aber soll ich sagen über das Mädchen ? Erstarrt und voller Staunen, wenn auch nicht ohne Furcht hatte sie die Verwandlung des Holzes miterlebt. Nun aber zeigten sich ihre innere Reinheit und Opferbereitschaft auch an ihrem Leib: So erbarmungswürdig sie gerade noch war - jetzt stand hier das schönste Mädchen, das je die Erde getragen hatte. Kein Zweifel: Dies war das Werk des GRALS (Aber so ist es bis heute: Letztendlich trägt immer die innere Schönheit einer Frau den Sieg über Äußerlichkeiten davon.).
Nun mussten die beiden ihre Aufgabe erfüllen: einer hatte die Kraft und eine wusste den Weg ...

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